Was macht eigentlich ein Prälat? - Interview mit Prälat Dr. Marc Witzenbacher
Das Interview wurde am Montag, 15.9.25 im Dekanat Bad Krozingen von Miriam Ebner (Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und Fundraising, Kirchenbezirk Breisgau-Hochschwarzwald) geführt.
(Im Interview: ME = Miriam Ebner, Dr. MW = Dr. Marc Witzenbacher)
ME: Welche Aufgaben haben Sie als Prälat? Oder was macht ein Prälat?
Dr. MW: Nach der Grundordnung unserer Kirche unterstützen die Prälaten die Landesbischöfin in der geistlichen Leitung der Landeskirche. Also d.h. sie haben das einzige rein geistliche Amt in unserer Landeskirche inne, weil sie hauptsächlich mit Gottesdiensten, Seelsorge und Beratung der Mitarbeitenden zu tun haben und den Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen zur Seite stehen. Wir sind zwei Prälaten in Baden, eine in Nordbaden und einer in Südbaden. In den beiden Kirchenkreisen vertreten wir in Absprache mit der Landesbischöfin die Landeskirche und haben dadurch auch viele repräsentative Aufgaben, z.B. bei Jubiläen, Gemeindefesten, Bezirkskirchentagen …
ME: Also, es gibt demnach auch Prälatinnen?
Dr. MW: Ja, es gibt eine Prälatin in Nordbaden und mich in Südbaden. Prälatin in Nordbaden ist Heide Reinhard und es hat sich bewährt, dass das nicht nur Männer oder nur Frauen sind, da das ja sehr viel mit Seelsorge zu tun hat. Und wir haben jetzt auch nicht eine strikte Trennung mit dem Blick auf Nord und Süd, also in dem Sinne, dass jemand aus Südbaden sich nur an den südbädischen Prälat wenden dürfte, sondern es gibt ja Dinge, die man lieber mit einer Frau oder lieber mit einem Mann besprechen möchte oder man kennt sich aus früheren Zusammenhängen oder wie auch immer… insofern hat sich das gut bewährt, dass wir eine Frau und einen Mann in diesem Amt haben.
ME: Also, das heißt, Seelsorge ist schon ein Schwerpunkt Ihrer Arbeit und das machen Sie auch selbst und Sie beraten nicht nur die Seelsorger*innen?
Dr. MW: Nein, Seelsorge gehört unter anderen Aufgaben zu unserem Amt. Wir wirken z.B. auch bei Fortbildungen mit. Ein großer Schwerpunkt sind aber Gespräche, also ich bin viel unterwegs bei Pfarrerinnen und Pfarrern, aber auch bei Ehrenamtlichen, also wir sind nicht nur Seelsorge der Seelsorger*innen, wir sind auch für Ehrenamtliche da oder auch für Kirchenmitglieder. Jeder darf sich an uns wenden, wenn er/sie Probleme hat, die er/sie vielleicht nicht mit der Dekanin oder dem Dekan besprechen möchte. Wenn z.B. Pfarrpersonen ein Problem haben in der Zusammenarbeit mit der Dekanin oder dem Dekan, dann kann er oder sie dies nicht mit seinem oder ihrer Vorgesetzten besprechen. Dann sind wir eine gute Anlaufstelle, um zuzuhören und zu überlegen, wie man das Problem angehen kann bzw. welche Lösungsmöglichkeiten es gibt.
ME: Wie wird man Prälat bzw. wie sind Sie Prälat geworden?
Dr. MW: Als Prälat kann man sich nicht bewerben, sondern man wird gefragt von der Landesbischöfin und so wurde ich auch gefragt, ob ich mir das vorstellen könnte. Das war für mich auch überraschend, denn ich hätte nie gedacht, dass ich mal als Prälat in unserer Landeskirche wirken würde.
ME: Warum?
Dr. MW: Weil ich nie das Amt im Fokus hatte, also das war nie das Ziel, wo ich unbedingt drauf hingearbeitet hätte. Nach reiflicher Überlegung habe ich dann gerne zugestimmt, auch da ich dachte, dass ich Vieles mitbringe, was diese Position abverlangt, durch meine bisherige Erfahrung in der Landeskirche und darüber hinaus. Ich kenne viele Menschen in der Landeskirche durch meine bisherigen Tätigkeiten und kenne auch die Strukturen sehr gut und denke, dass ich aus meinen bisherigen Aufgaben viel mit in das Amt einbringen kann.
Man wird dann von der Landesbischöfin vorgeschlagen und gewählt durch den Landeskirchenrat in synodaler Besetzung. Der Landeskirchenrat ist eines unserer vier Leitungsorgane unserer Landeskirche.
ME: Welche Rolle spielen Sie in der Leitung der Landeskirche?
Dr. MW: Wir sind beratend in den Leitungsgremien der Landeskirche vertreten. Wir haben kein Stimmrecht im Kollegium und im Landeskirchenrat, was durchaus auch seine Berechtigung hat, weil wir eben genau in dieser vermittelnden Rolle zwischen Gemeinden, Mitarbeitenden und Kirchenleitung sind. Was wir hören aus den Gemeinden, geben wir an die Leitungsgremien weiter, wenn wir ein Mandat erhalten, dass wir das weitergeben. Und wir nehmen natürlich auch Dinge aus der Kirchenleitung in die Kirchenbezirke mit. Also es hat sehr viel mit Vermittlung und gegenseitigem Verstehen zu tun.
ME: Welche sind die Herausforderungen bei der Führung und Begleitung der Kirchengemeinden?
Dr. MW: Wir haben keine hierarchische Funktion, sondern eine rein geistliche und das hat auch viele Vorteile für Gespräche, für Beratungssituationen. Das unterscheidet uns von der Landesbischöfin, die ja letztlich Dienstvorgesetzte von den Mitarbeitenden unserer Landeskirche ist, wenn man so will. Mit ihr arbeiten wir aber eng zusammen. Wir haben also keine klassisch führende Funktion, sondern eher so, dass wir versuchen, geistliche Impulse in die Gemeinden und in die Mitarbeitendenschaft zu geben, weil das auch unsere Aufgabe ist, durch Gottes Wort die Menschen zu begleiten, etwa so: Was hat das mit unserem Glauben zu tun? Wo können wir für die Menschen mit der Bibel, durch unsere Geschichte Impulse finden, die uns weiterhelfen können in der Situation, in der wir gerade sind?
Wir haben gerade sehr viele Herausforderungen, sehr viele Prozesse, die im Moment laufen, mit Kirchengebäuden, Strukturen … Jetzt kommen die Kirchenwahlen, die uns vor Herausforderungen stellen, neue Menschen zu gewinnen, alte wieder zu überzeugen, dass sie weitermachen, also es sind viele Herausforderungen, die auf uns als Kirche momentan eindringen, sei es durch die Strukturen, durch äußere Umstände, Einsparungsnotwendigkeiten usw., sei es aber auch durch die gesellschaftliche Situation, in der wir immer mehr eine marginalisiertere Rolle spielen, anders als wir sie noch vor 20, 30 Jahren in der Gesellschaft gespielt haben. Und das bringt uns dazu, deutlicher zu überlegen, welche unsere eigentlichen Botschaften sind, die wir weitergeben, was uns also eigentlich ausmacht. Die Strukturen müssten dem eigentlich folgen. Der Kern ist, dass wir das Evangelium verkünden sollen in unserer Welt und in unserer Gesellschaft und dafür eintreten, dass alle Menschen eine Würde haben, die unverletzbar ist, dass wir eine Hoffnung haben, die uns weitertragen kann und dass wir Botschaften haben, die uns im Leben Orientierung geben können. Und das in die Welt zu tragen, ist die eigentliche Aufgabe nebst der Herausforderung, die wir momentan in der gesamten Landeskirche und als Kirchen erleben.
ME: Welche Bedeutung hat die Bibel für Sie und wie bereiten Sie Ihre Predigten und Vorträge vor?
Dr. MW: Die Bibel hat eine ganz wesentliche Bedeutung für mich. Ich lebe viel mit der Bibel, ich lese viel in der Bibel und ich versuche auch immer, biblische Geschichten und ihre Bedeutung – nicht nur auf mein Leben, sondern auch für die Gegenwart „abzuklopfen“ und bin immer wieder erstaunt, wie viele altbekannte Texte immer wieder neu in einer Situation sprechen können. Ich lasse mich in meinen Predigten immer davon leiten, dass ich in der Regel den Predigttext des Sonntags verwende, also nicht irgendwelche Texte, die ich gerne habe, sondern auch Texte, die mich herausfordern oder wo ich denke „Hm, was hat das jetzt mit dem Sonntag zu tun oder mit dem Kasus?“ Aber in der Regel findet sich dann doch immer irgendwie eine Lösung, sodass man denkt „Ah, das ist doch ein interessanter Gedanke, den ich gerne weitergeben will.“ Und ich versuche, möglichst Zuversicht, Trost, Hoffnung und Mut aus den Texten zu schöpfen und gleichzeitig aber auch die Dinge mit ihm zu artikulieren, die schwierig sind, also z.B. Klagepsalmen, Texte, in denen deutlich wird, dass das Volk Israel und auch die junge Kirche unter ähnlichen, vielleicht sogar unter viel schlimmeren Situationen gelebt hat, als wir das heute tun und trotzdem Mut und Hoffnung geschöpft haben aus dem Glauben, wie sie dies dann in den Texten niedergeschrieben haben. Das ist für mich der Schatz, der diese alten Texte bis in die Gegenwart und auch - nach meiner Überzeugung - in der Zukunft nie alt werden lässt, sondern sie immer wieder eine Quelle für Inspiration, für Überraschung und für Trost und Hoffnung sind.
ME: Welche Aufgaben haben Sie am liebsten?
Dr. MW: Ich predige wirklich sehr gerne, ich feiere sehr gerne Gottesdienste, welche ja auch eine meiner wichtigsten Aufgaben ist. Ich kommuniziere unheimlich gerne, ich bin sehr gerne mit Menschen zusammen, bin neugierig, was meiner Aufgabe auch zugute kommt, weil ich in ganz vielen Gemeinden unterwegs bin, ganz unterschiedliche Konstellationen erlebe und das bringt mir auch viel Freude. Also, die Vielfalt zu erleben, die unterschiedlichen Lebensentwürfe, die unterschiedlichen Gemeindekonstellationen, die unterschiedlichen Bedingungen, die es in Gemeinden gibt und diesen Reichtum zu erleben, den wir in unserer Landeskirche haben.
ME: Was genau meinen Sie mit „Reichtum“?
Dr. MW: Die Vielfalt, die unterschiedlichen Frömmigkeitsstile, die unterschiedlichen Formen, wie Menschen „unterwegs“ sind, die unterschiedlichen gewachsenen Traditionen in den Gemeinden. Das empfinde ich als Schatz, den wir auch weiterhin pflegen müssen. Wir sind nicht nur eine Kirche mit einer Richtung und mit einer Art und Weise, wie wir den Glauben leben, sondern wir sind offen und vielfältig. Das macht uns auf jeden Fall aus, das schätze ich sehr und finde ich spannend.