Badische Landeskirche beschließt Maßnahmenpaket

11,2 Millionen für Flüchtlingshilfe

Karlsruhe. Die badische Landeskirche stellt in den nächsten drei Jahren 11,2 Millionen Euro für die Flüchtlingshilfe bereit. Der Landeskirchenrat beschloss am heutigen Donnerstag (17.12.2015) ein umfangreiches Maßnahmenpaket. Besondere Akzente werden in den Bereichen Interreligiöses Gespräch und Seelsorge, Sorge für besonders schutzbedürftige Menschen sowie Bildungsangebote für Frauen und Mädchen gesetzt.

Landesbischof Jochen Cornelius-Bundschuh erklärte „die respektvolle und freundliche Aufnahme von Flüchtlingen“ zum „Kern des christlichen Glaubens“. Die Flucht sei auch eine „geistliche Herausforderung“, für die die Kirchen eine besondere Verantwortung tragen, sagte der Landesbischof. „Wichtig sind Orte, an denen Einheimische und Flüchtlinge sich über ihren Glauben austauschen, aber auch solche, in denen Menschen anderen Glaubens oder anderer Überzeugung den christlichen Glauben und das kirchliche Leben kennenlernen können“, erklärte Cornelius-Bundschuh.

Oberkirchenrat Urs Keller (Diakonie) verwies darauf, dass vermutlich mehr als die Hälfte der Flüchtlinge längerfristig bei uns bleiben werden werde. „Der Schutz und die Aufnahme von Flüchtlingen sowie deren Integration werden mittelfristig einen Schwerpunkt der Arbeit in Kirche und Diakonie bilden“, sagte Keller. Besonders wichtig sei die Hilfe für schutzbedürftige Gruppen wie Frauen, Kinder und unbegleitete Jugendliche. Synodalpräsident Axel Wermke unterstrich, wie wichtig das Zusammenwirken von kirchlicher und staatlicher Arbeit in der Flüchtlingshilfe sei; dieses Thema habe auch das jüngste Treffen des Synodalvorstands mit dem Landtagspräsidium in Stuttgart geprägt.

Der Bildungsreferent der badischen Landeskirche, Christoph Schneider-Harpprecht betonte die Bedeutung von Bildungsangeboten für die Integration der Flüchtlinge. „Einen wichtigen Beitrag leisten Freizeit-, Begegnungs- und alltagsbezogene kulturelle Bildungsangebote für Jugendliche, junge Erwachsene und Familien“, erklärte Schneider-Harrprecht. Eine Schwerpunktsetzung von Bildungs- und Begleitungsangeboten für Frauen und Mädchen als besonders benachteiligter Gruppe sei notwendig, da diese im Rahmen von Hilfsangeboten oft zu wenig berücksichtigt würden.

Die Maßnahmen im Überblick:

· Die Fachberatungsstellen in den Kirchenbezirken sind ein zentraler
Bestandteil der fachlichen Begleitung und Unterstützung der
vielfältigen Aktivitäten von Ehren- und Hauptamtlichen in den
Kirchenbezirken, -gemeinden und Initiativen. Die bestehenden Stellen
sollen auf 16 Stellen aufgestockt werden.

· Um die Koordinierungsarbeit, Gemeinwesen- und Seelsorgearbeit auf
Bezirksebene effektiv sicherstellen zu können, sollen
Kirchenbezirksbeauftragte für Flucht und Migration (insgesamt 12,5
Stellen) eingerichtet werden, besetzt mit Pfarrer/innen,
Diakonen/innen oder ähnlicher Qualifikation. Sie koordinieren die
Arbeit im Kirchenbezirk, fördern Akzeptanz und Begegnung sowie den
interkulturellen und interreligiösen Dialog, stärken die
Integrationsarbeit für und mit Flüchtlingen, begleiten die Arbeit von
Haupt- und Ehrenamtlichen seelsorglich, betreiben Gemeinwesen- und
Netzwerkarbeit, verstärken die Öffentlichkeitsarbeit. Zudem wird für
die als Erstaufnahmestandorte besonders betroffenen Kirchenbezirke
Heidelberg, Mannheim und Karlsruhe jeweils zusätzlich ein 0,25
Stellendeputat im Flüchtlingsbereich zur Verfügung gestellt.

· Eine zentrale Aufgabe ist die Begleitung Ehrenamtlicher, die sich im
Bereich der Flüchtlingsarbeit engagieren. Neben dem Support und einer
engen Begleitung der Initiativen sowie der Arbeit im Einzelfall und
der Erstellung von Materialien sollen bedarfsgerecht Schulungen zu
verschiedenen Themen angeboten werden. Hierzu besteht ein modulares
Schulungskonzept, das in den Kirchenbezirken mit Hilfe von geeigneten
Referenten/innen entsprechend dem Bedarf angeboten werden soll.
Hierfür sind Honorarmittel in Höhe von 50.000 € pro Jahr
erforderlich.

· Ferner sind 3,3 Mio. € vorgesehen, um konkrete Maßnahmen im
Flüchtlingsbereich im jeweiligen Kirchenbezirk und den Gemeinden zu
finanzieren. Die Mittel werden auf die Kirchenbezirke verteilt und
können unbürokratisch zweckentsprechend abgerufen werden Die
Priorisierung von notwendigen Maßnahmen erfolgt durch den
Kirchenbezirk. Er entscheidet in enger Zusammenarbeit mit den
örtlichen diakonischen Werken über die zweckgebundene Verwendung im
Rahmen des Budgets.

· Der Oberkirchenrat in Karlsruhe benötigt zur Begleitung des
Gesamtprogramms Personalkapazität. Vorgesehen sind hier 1,5 Stellen.

· Die Evangelische Hochschule in Freiburg entwickelt ein auf
Migrantinnen und Migranten abgestimmtes Programm, das diesen das
Studium an der EHF und damit die Integration in den Arbeitsmarkt
ermöglichen soll. Es soll ein Konzept entwickelt werden, mit dem
studierfähige und studierwillige Flüchtlinge für die
Bachelor-Studiengänge „Soziale Arbeit“ und „Pädagogik der Kindheit“
gewonnen, auf das Studium vorbereitet und im Studium begleitet werden
können. Hierzu müssen neue Lehr- und Lernformate entwickelt werden.

· Das Erlernen der deutschen Sprache erfolgt akut und unmittelbar
erfolgt in sogenannten VABO-Klassen („Vorqualifizierung Arbeit und
Beruf für Jugendliche ohne Deutschkenntnisse“). Kirchliche Lehrkräfte
werden dafür auf Wunsch von Schulleitungen verstärkt in VABO Klassen
eingesetzt und entsprechende Deputatsanteile zur Verfügung gestellt.
Die Evangelische Erwachsenenbildung bewirbt sich darum, in einem
speziellen Projekt des Kultusministeriums für junge Erwachsene, die
nicht mehr schulpflichtig sind, an fünf Stellen in Baden
Sprachklassen anzubieten. An evangelischen Schulen werden gezielt
Flüchtlingskinder aufgenommen, die vom Schulgeld weitgehend befreit
werden und zusätzliche Förderstunden erhalten.

· Die Abteilung Missionarische Dienste entwickelt zusammen mit der
Abteilung Mission und Ökumene einen Kurs für Flüchtlinge (in den
Sprachen Farsi, Arabisch, Englisch und Französisch), der es Migranten
ermöglicht, Grundzüge des christlichen Glaubens und christlicher
Kultur in Deutschland kennenzulernen. Dieser Kurs richtet sich an
Menschen, die noch ohne Taufabsicht den christlichen Glauben näher
kennen lernen wollen. Er unterstützt damit Gemeinden und ehrenamtlich
Mitarbeitenden, gegenüber Flüchtlingen Auskunft über den eigenen
Glauben geben zu können.

· Mit Maßnahmen der Kinder- und Jugendarbeit sollen Kinder- und
Jugendliche aus Flüchtlingsfamilien angesprochen werden und ihnen
niederschwellig Mitmachangebote gemacht werden. Dabei geht es um
gemeinsame Freizeitgestaltung, Sport und Musik, Kennenlernen der
hiesigen Kultur und Sprache, um Formen der Alltagsbildung. Durch eine
Projektstelle werden Initiativen vor Ort begleitet und eigene
modellhafte Angebote entwickelt.

· Einen wichtigen Beitrag leisten Freizeit-, Begegnungs- und
alltagsbezogene kulturelle Bildungsangebote für Jugendliche, (junge)
Erwachsene und Familien. Eine Schwerpunktsetzung von Bildungs- und
Begleitungsangeboten für Frauen und Mädchen als besonders
benachteiligter Gruppe erscheint notwendig, da diese im Rahmen von
Hilfsangeboten oft zu wenig berücksichtigt werden.

· Im Rahmen der Frauenarbeit ist es Ziel der Fördermaßnahmen, Frauen
mit Fluchterfahrung durch bedarfsorientierte, gendergerechte Angebote
das Ankommen im Kulturkreis Deutschland zu erleichtern und mithilfe
von Multiplikatorinnenarbeit Integrationsprozesse nachhaltig zu
gestalten. Zum Beispiel durch Freiplätze für Frauen mit
Fluchterfahrung auf Freizeiten und Seminaren. Daneben sind
Qualifizierungslehrgänge für Gruppenleiterinnen von
Mutter-Kind-Gruppen geplant, um Müttern in dieser speziellen
Lebensphase adäquate Integrationsmöglichkeiten und gesellschaftliche
Teilhabe zu ermöglichen. Zu diesem Aspekt gehört auch
Beratungsqualifizierung für die Begleitung von Schwangeren im Alltag.
Die Ausbildung von „Friedensfrauen“ knüpft an das Friedenspapier der
Landeskirche an und übersetzt dessen Anliegen in die besondere Lage
von Frauen mit Fluchterfahrungen.

· Für konkrete Maßnahmen von Gemeinden anderer Sprache und Herkunft in
der Landeskirche werden für drei Jahre 50.000 € zur Verfügung
gestellt. Mittel aus diesem Fonds können von Gemeinden anderer
Sprache und Herkunft, die Mitglied im Internationalen Konvent
Christlicher Gemeinden sind oder werden, beantragt werden.