Auf die Freundschaft
Ich habe ihn schon lange nicht mehr gesehen. Das letzte Mal, als wir miteinander gesprochen haben, haben wir uns verletzt - mit Worten und mit Blicken. Seitdem sind einige Monate vergangen. Treffen wollen wir uns. Schauen, was ist da noch da. Ist unsere Freundschaft zu retten?
Wir sehen uns. Reden, lachen und die Blicke sind sanfter als damals. Und dann sprechen wir über unser letztes Treffen. Über die Verletzungen und was sie mit uns gemacht haben. Und gleichzeitig ist da Verständnis, Entschuldigung und Aufrichtigkeit – die Erkenntnis: Wenn wir weitermachen wollen, dann braucht es auch den Blick auf den Schmerz und die Verletzungen. Irgendwie scheint es, als könnten wir nur mit diesem Blick unsere Freundschaft wieder aufbauen.
Die Verfasser der Evangelien sprechen viel von Vergebung – in vielen Kontexten werden diese Verse immer wieder angeführt. Ich hatte lange Zeit meine Probleme mit dem Vergebungsbegriff, bis mir ein Professor an der Hochschule erzählt: Vergebung im neutestamentlichen Sinne bedeutet, auf Reue zu reagieren. Es braucht den Blick auf das, was passiert ist. Vergebung bedeutet also nicht, so zu tun, als wäre nie etwas passiert.
Mich erinnert dies auch an mein Lieblingsbild für das Leben – die japanische Tradition von Kintsugi. Unsere Verletzungen, unsere Wunden und unser Scheitern; sie gehören zu uns dazu. Sie sollen nicht aus unserem Leben radiert werden. Wenn wir sie sichtbar machen, dann kann es für uns auch wertvoll und kostbar werden. Dann kann es uns wertvoller und kostbarer machen - vor anderen, vor uns und vor Gott.
Wenn dies gelingt, dann kann ich nur staunend beten:
Danke Gott, dass du hinschaust - aufrichtig. Dass du unsere Wunden vergebend mit Goldstaub umhüllst - und Freundschaften jeglicher Art wieder möglich machst. Amen.
Herzlich
Ihre Celina Häs, Diakonin im Schuldienst